Düsseldorf - Notizen am Rande
Flinke Paraden

Werner Schwerter
Rheinische Post | 11.05.2005


Stephan Sachs hat Filmmaterial von 1925 bis 1953 zum Düsseldorf-Film "Notizen am Rande" verarbeitet. Das Ergebnis dieser dreijährigen Arbeit wurde nun im Schauspielhaus erstmals gezeigt.

Schauspieler Peter Harting liest einen Text von Peter Weiss, der sein Haus in Schutthaufen suchte: "In mir spüre ich das unverwundbare." Bei der Uraufführung des Films "Düsseldorf - Notizen am Rande", mit der das Filmmuseum zu Gast im Schauspielhaus ist, wird der Notiz vom Gastgeber ein großes literarisches Vorwort vorangestellt.

Eigenwillig, ja frech geht Filmmacher Stephan Sachs mit dem Auftrag um, den ihm das Filmmuseum gab. Dort lagert aus teils unbekannten Quellen viel historisches Material, das die Stadt nach den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg als Schuttwüste zeigt. Die Trümmerfilme zu sortieren und 60 Jahre nach Kriegsende in eine vorzeigbare Fassung zu bringen, war ihm in dreijähriger Arbeit nicht genug. Er lässt den 70-Minuten-Film 1925 beginnen und 1953 enden.

In dieser Zeitspanne bilden die Ausstellungen "Gesolei" (1926), "Schaffendes Volk" (1937) und "Alle sollen besser leben" (1953) einen irritierenden Dreiklang für die ruhmreiche Geschichte der Messestadt Düsseldorf. Sachs wollte nicht nur Brüche, sondern auch Kontinuitäten aufzeigen. "Nahtlose Übergänge", sagt Sachs in der Diskussion. Seine letzten Szenen zeigen die Kö voller eleganter Damen beim Einkaufsbummel, als wäre nichts gewesen.

Der städtische Werbefilm von 1953, mit dem Sachs seine Zusammenstellung ausklingen lässt, stammt von Alfred Weidenmann (1918-2000), der zuvor NS-Propagandafilmer war ("junge Adler") und danach jede Menge erfolgreicher Kino- und Fernsehproduktionen in der Bundesrepublik drehte ("Canaris"; "Alibi";. „Buddenbrooks"). .

In seinen Kommentaren ist Sachs wortkarg, beschränkt sich auf Stichworte. Auch gibt es Zwischentitel wie beim Stummfilm. Sein Witz besteht im Aufbau der Szenenfolge und in bewusst künstlich falsch wirkender Vertonung von Stummfilmen. Bei Paraden, Aufmärschen und Sport lässt er die Bilder zu schnell laufen, spielt aber auch mit Rücklauf und Zeitlupe. Er ist eben Künstler und nicht Historiker.

Lustige Aufnahmen sind dem Amateurfilmer Fritz Genandt zu verdanken, der Direktor des Apollo Theaters und bei der Ufa Filmtheaterleiter war. Seine Rolle in der NS-Zeit ist ungeklärt zwiespältig; der Unterhaltungsmann hat keine Schreckensbilder gefilmt. fröhliche Schaffnerinnen im Schwimmbad sowie zerbombte Straßenbahnen fanden sich im Rheinbahn-Archiv.

Den einzigen Originalton im ganzen Film darf Joseph Goebbels sprechen: Es geht um die Altersversorgung für Künstler. Sachs lässt Goebbels "seine ganzen verführerischen Qualitäten ausspielen". Allerdings wird die kontrastiert durch Würdigung des Schauspielers und Regisseurs Wolfgang Langhoff und des Bildhauers Bernhard Sopher. Beide, der eine Kommunist, der andere Jude, kamen nicht in den Genuss der Goebbelschen Künstlerversorgung (im. KZ schrieb Langhoff übrigens "Das Moorsoldatenlied").

Der Film ist widersprüchlich und hat Ironie. Das fleißige Aufräumen des beauftragten Stephan Sachs in einem Zuviel an Schrott und Schutt wird zum Spiel mit dem oft arg banalen Rohstoff.