Paramount
Ausschnitt aus Portrait Stephan Sachs

Veronika Rall
epd Film 11/94 | 1994


[...] Doch schon PARAMOUNT (1988) hatte das Interesse des Filmemachers von der Bebilderung der Innerlichkeit zum Spiel mit Repräsentationsformen verschoben. Hier geht es um den Bergfilm - ein von den Zwanzigern bis in die Sechziger Jahre weit verbreitetes deutsches Genre. Der Film beginnt pastoral in einer sanften, grünen Berglandschaft, an einem kleinen Bach. Doch wenn der Protagonist (der Osnabrücker Filmemacher Klaus Telscher) diese Bühne betritt, gerät die Romantik ins Wanken: Sein Körper gehört nicht in diese Landschaft, seine Bewegungen sind nicht die eines Wanderers. Wenn er sich schließlich auf einem Felsen niederläßt und statt der Brotzeit den Tabak auspackt, paßt die Geste eher zum Flaneur der Großstadt, der gleich einen Aperitif bestellen wird, als zur romantisch verklärten Bergwelt. Sachs treibt die Unstimmigkeit der Bilder an dieser Stelle mit einem Motorengeräusch auf der Tonspur auf die Spitze, um dann tatsächlich den Gewaltmarsch in die höheren Bergregionen anzutreten. Damit ist der Schritt von der Romantik zur filmischen Bilderwelt von Arnold Fanck und Leni Riefenstahl getan. Weiße Gebirge türmen sich vor einem leicht bewölkten Himmel, Hände und Füße graben sich in die unantastbaren eisigen Regionen. Hier greift Sachs auf einen Werbefilm für Gebirgsjäger zurück. In endlosen Loops, die den Sprung über eine Gletscherspalte von unten heroisch aufnehmen, zeigt sich einerseits die Kraft, die die Bezwingung einer ,,feindlichen" Natur fordert, andererseits die Austauschbarkeit der uniformierten Körper. Die Panoramaaufnahmen hingegen nehmen den ,,Sieg" vorweg: Durch den Rotfilter gleißen Sonne und Berge, der Himmel wirkt fast schwarz. Die Anlehnung an faschistische Imagos ist gewollt: ,,Im Faschismus muß alles bombastisch, aufgeblasen werden, und die Berge taugen recht gut dazu ...", sagt Sachs, ,,aber ich wollte keine direkte Verbindung zu diesen Filmen – eine Sequenz aus Riefenstahls Filmen oder Musik von Wagner - das wäre zu direkt gewesen."

Sachs illustriert Männerphantasien, in denen die Natur zur Frau wird, bricht sie zum Ende jedoch im Kitsch, in einem Happy-Ending à la Hollywood. Ein Adler scheißt ins Nest, und Telscher sitzt vor dem Bergpanorama und trinkt endlich den Wein, den wir ihm schon in der ,,romantischen" Sequenz gern gereicht hätten. Der Experimentalfilmer auf der Höhe des ,,Paramount" - das ist nicht nur eine Auseinandersetzung mit männlichen, deutschen Höhepunktsphantasmen, sondern auch eine ironische Note auf die gegenwärtige Filmkultur.