Perspektiven des „Dazwischen“
Jörg Meyer
Kieler Nachrichten | 05.12.2007


Kiel – „Nach zwei Jahren als Professor für Film an der Muthesius Kunsthochschule ist es vielleicht mal an der Zeit“, sagt Stephan Sachs zu seiner Werkschau, ab heute im KoKi zu sehen, ganz uneitel. Fast eine Pflichtübung, sein filmisches Werk vorzustellen – und „auf keinen Fall Vorbild für meine Studenten“, deren aktuelle Arbeiten am 14. Dezember im KoKi gezeigt werden.

Von „Meister-Schüler-Verhältnissen“ hält Sachs nichts. Was seine Werkschau aber vermitteln soll: „Dass man als Künstler eine Haltung haben und dafür die eigene Bildsprache finden muss.“ Und auch, dass „sich in Zwischenbereichen aufzuhalten“ der beste Ort für Kunst ist. Sachs hat Film nicht direkt studiert, er kommt von der bildenden Kunst. So sehe er auch seine Filme als „stark vom Bild und dessen Rhythmen her kommend“. Die Experimentalfilmbewegung der 80er Jahre, aus der seine ersten Kurzfilme (heute im KoKi) stammen, habe sich „mit den neuen digitalen Medien pulverisiert“. Dergestalt, dass im und mit Film zwar noch immer, aber weniger als früher experimentiert werde. Eigentlich paradox, aber das Mehr an multi- und intermedialen Möglichkeiten hat die Experimentierfreude eher gebremst. Sachs hat in den 80ern noch mit einer selbst gebauten Optischen Bank gearbeitet, um filmbildnerische Effekte zu erzielen, was heute in der digitalen Filmbearbeitung mit wenigen Mausklicks passiert. Was mit den neuen Möglichkeiten verloren gehe, sei „die Konzentration aufs Bild“. Anders ausgedrückt: Die Erweiterung der Mittel bedeutet nicht immer deren kreative Nutzung.

Dennoch ist Sachs ganz und gar kein Traditionalist. Seine Filme streben stets nach Sprengung und Umdeutung des Materials und seiner Perspektiven. und sahen, was zu machen war ... (1991-1994, 12.12. im KoKi), sugar B (2005, 19.12.) und Düsseldorf, Notizen am Rande (2005, 18.1.2008) bezeichnet er deshalb auch nicht als Dokumentarfilme, sondern als „Film-Essays“. In und sahen, was zu machen war ... – ausgezeichnet mit dem Preis der deutschen Filmkritik – verfolgte Sachs die Wiedererrichtung des Kaiser Wilhelm-Denkmals am Deutschen Eck in Koblenz. Doch er zeigt solches Wiedererstarken des Monumentalen und (National-) Symbolischen kurz nach der Wiedervereinigung „nicht im Stil einer ZDF-History-Doku mit ihrem belehrenden Ton“, sondern führt den Zuschauer immer wieder „auf Irrwege“: „Das Denkmal ist demontiert, während es montiert wird.“ Genauso ist sugar B kein „Denkmal“ für einen schwarzen Musiker, der sich allen Marktgesetzen verweigert und so scheitert, sondern die ironische Auseinandersetzung mit dem Genre Künstlerporträt. Düsseldorf, Notizen am Rande hat Sachs vollständig aus „found footage“, vorgefundenem historischen Doku-Material, montiert und dabei die auch ideologisch motivierten Perspektiven des Materials hinterfragt.

Diese Technik des „Dazwischen“, eine der Magie der Bilder und Genres kritisch entgegen wirkende und sich doch auf sie einlassende Strategie, entwickelte Sachs in seinen experimentellen Kurzfilmen. Etwa in Le Dauphin (1986), wo er die Bildklischees der europäischen Sicht auf die Tropen montiert/demontiert, indem er die gegärtnerten Dschungel von Gewächshäusern zeigt, oder in Paramount (1988) – der Titel spielt auf ein berühmtes Hollywood-Studio an – den Heldenmythos des Bergsteigers mit der Selbstgenese männlicher Sexualbilder konfrontiert.