und sahen, was zu machen war...
FAZ 17.11.1994 (M. Riepe)


Stefan Sachs, der für „Und sahen was zu machen war..." mit dem Preis der deutschen Filmkritik ausgezeichnet wurde, beobachtete minuziös die Rekonstruktion des Kaiser-Wilhelm-Demkmals am Deutschen Eck zu Koblenz. Das größte Reiterstandbild dcr Welt, Symbol der deutschen Einheit von 1871, wurde 1945 von einem amerikanischen Grenadier abgeschossen. Durch (film-)historische Exkurse und eine Montage, die dem Modellieren der Bronzestatue zuwider lief, wiederholt Sachs diesen Abschuß mit rein filmischen Mitteln.


Die Presse Wien 15.11.1994

Und tatsächlich ist diesem Film dem Bilder von der Wiederherstellung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Koblenz raffiniert zerstückelt und mit visuellen und akustischen Fragmenten der deutschen Geschichte bzw. dem Umgang damit verwoben werden, größtmögliche Reichweite
zu gönnen. Ein zeitgerechter und stilistisch bemerkenswerter Kommentar zur gedankenlosen Gedenkpraxis im wiedervereinigten Deutschland.


NRZ 14.11.1994

In der Tat unterläuft der Film den Anspruch des Denkmals auf Machtrepräsentanz, wie die Juroren erklärten. Wenn der bronzene „Einheitskaiser" mit seinem breithintrigen Pferd auf einem Schiff namens „Futura“ dem Sockel am Deutschen Eck in Koblenz entgegenreitet, oder wenn die Gießarbeiten im Stil der „Tönenden Wochenschauen” persifliert werden, gibt Sachs die Befürworter dieses Monumentalwahns der Lächerlichkeit preis.
Und die ganze politische Brisanz der Wiederherstellung, des Kaiser-Denkmals nach der Wiedervereinigung kulminiert in den Äußerungen von Kulturförderern und verantwortlichen über die „alliierten Terrorbomber” und den „kulturlosen Amerikaner”, der dem Kaiser 1945 vom Sockel fetzte.


Terz 12.1994

Im Anschluß lief der Film „und sahen was zu machen war” des in Düsseldorf lebenden STEPHAN SACHS, der die Mittel des Dokumentar- und Experimentalfilms auf der Bild- und Tonebene virtuos einsetzt, und sein Thema, die Wiedererrichtung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Koblenz, zu einer dichten Collage verwebt, die sich dem/der ZuschauerIn wie ein facettenreicher - teils assoziativ aufgebauter, teils faktisch belegter - Fundus sprichwörtlich auffächert. Der subjektive Anreiz für Stephan Sachs war die Rekonstruktion des Bronzegußes in einer Düsseldorfer Gießerei. Die Exposition, die sich aus dem Interesse an der Materialität und dem Arbeitsprozeß ergibt - knisterndes, rieselndes Styropor erweitert sich durch die Tonspur - Trommelschläge, die an ein Exekutionskommando erinnern - und Veränderung des Filmmaterials - körniges schwarz-weiß im Gegensatz zur Farbe - zu der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem historischen Prozeß von Errichtung, Abschuß und Neuerrichtung des Denkmals. Die Reiterstatue und ihre Aneignungen steht auf einer Linie, die sich von den Deutschnationalen des 19, Jahrhunderts, den NationalsozialistInnen des Dritten Reiches bis zu den neuen deutschen Einheitsdenkern zieht. Der Vorzug des Films ist die In-Gangsetzung eigener Reflektionen, die sich trotz. oder gerade wegen der immensen Komplexität und Verschachtelung des Materials einstellt.


Jurybegründung Duisburg 11.1994

Die Jury der Arbeitsgemeinschaft der Filmjournalisten vergibt den Dokumentarfilmpreis der deutschen Filmkritik an „und sahen was zu machen war...” von Stephan Sachs.

Begründung:
"Und sahen was zu machen war..." ist ein Film über den Ursprung deutschen Nationalwahns und die Darstellungsformen der Macht. Er beobachtet die Wiederherstellung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals am Deutschen Eck in Koblenz. Dabei kehrt die filmische Erzählweise die Montage des Reiterstandbilds um in einen Prozeß der Demontage. Diese Demontage leitet als künstlerisches Prinzip die Organisation des Materials. Sachs' Exkurse über die deutsche Geschichte fügen sich einerseits zusammen wie die Bausteine des Denkmals, doch Musikzitate und eine ironische Anspielung auf die deutsche Kulturfilmtradition tragen den Widerspruch zum Aufbau in sich. Am Ende, wenn das Denkmal steht, ist sein Anspruch auf Machtrepräsentanz längst unterlaufen. Der Film nennt Roß und Reiter: Die Wiedererrichtung dieses Monuments, das 1871 zum Symbol und 1953 zum Mahnmal deutscher Einheit erklärt wurde, ist heute, nach der deutschen Wiedervereinigung, ein politisch wie ideologisch fragwürdiger Ausdruck nationalen Selbstverständnisses.


Die Presse Wien 19/20. 04. 1995

und sahen, was zu machen war. (Filmcasino, Sonntag, 12 Uhr). Das dokumentarische Kino kennt andere Wege als Menschenköpfe in Kameras sprechen zu lassen und neunmalkluge Kommentare zu kompilieren: Die stilistisch reichen Arbeiten des Filmemachers Stephan Sachs erzählen von der Lust, die Wirklichkeit neu zu repräsentieren und dabei das ganze Kino, das avantgardistische und das geschichtenerzählende, mit einzubinden. Zwei seiner experimentellen Produktionen, die schöne Bergfilm-Demontage Paramount sowie der subtil satirische Deutschlandkommentar und sahen, was zu machen war, werden am Sonntag in einer Filmcasino-Matinée ausnahmsweise und in Anwesenheit des Regisseurs zu sehen sein: deutsches Pathos, der Größenwahn und die absurde Neuinstallierung eines Kaiserreiter-Standbildes - in mißtrauischen Bildern und Tönen präzisiert.