und sahen, was zu machen war...
Ausschnitt aus "Portrait Stephan Sachs"
Veronika Rall
epd Film 11/94 | 1994


[...] Das ist insofern wichtig, als Sachs auch heute noch oft mit einer statischen Kamera arbeitet, die den Blick des Publikums auf ein Objekt konzentriert, mit Einzelbildern, die nachträglich an der optischen Bank rhythmisch montiert werden, mit Schwarzfilm, der dem Auge ein Nachbild, eine Sehpause gewährt. Diese ästhetische Strategie ist bis in seinen jüngsten Film UND SAHEN, WAS ZU MACHEN WAR... zu verfolgen.

Sein äußerer Gegenstand ist die Wiederaufstellung des Reiterdenkmals Wilhelms I. auf dem Deutschen Eck in Koblenz, die vor allem von dem Industriellen Werner Theisen betrieben wurde. Distanziert beobachtet Sachs in Einzeleinstellungen den Fertigungsprozeß dieser monströsen Figur, doch die Tonspur provoziert sogleich: quietschendes Styropor läßt uns die Haare zu Berge stehen, später hören wir klatschenden Schlamm. Bis zu dieser Stelle enthält sich der Film eines wörtlichen Kommentars, doch der eigentliche Gußprozeß wird mit belehrenden Phrasen versehen, die an Bildungsfilme des IWF erinnert, mit denen man uns in der Schule quälte: ein Seitenhieb auch auf eine Dokumentarfilmtradition.

,,Billige Ironie" wurde Sachs in der Diskussion nach der Uraufführung in der Düsseldorfer Black Box vorgeworfen. Diese liegt jedoch eher am Sujet, als daß sie am Film zu fixieren wäre. Im zweiten Teil beschäftigt sich Sachs mit der Debatte, die um die Wiedererrichtung des Denkmals geführt wurde, und entlarvt auch dieses Projekt als das einer männlichen Reproduktion: Erinnerungen an PARAMOUNT werden wach, wenn die Bildhauer die Statue wie einen Berg besteigen; irritiert sitzt Frau Theisen neben ihrem Mann, wenn dieser von einem gemeinsamen doppelten Jubiläum (30 Jahre Ehe, sein sechzigster Geburtstag) spricht. Prof. Ludwig hingegen beschimpft den Infanteristen - der den ungeheuren Spaß hatte, die Scheußlichkeit vom Sockel zu schießen - als ,,kulturlosen, wildgewordenen Amerikaner". Sachs (weniger wildgeworden, mehr kulturell) gönnt sich das Vergnügen, die Statue langsam zu demontieren. Wenn das Reiterdenkmal schließlich am Sedanstag auf den Sockel gehoben wird, hat es der Film als deutsche Imagination des „Wieder", der Wiedervereinigung, des Wiederaufstellens, auseinandergenommen.
UND SAHEN, WAS ZU MACHEN WAR ist ein Film, der in der Gegenläufigkeit von Montage und Demontage die Besinnung auf eine historische Restauration als den Zeitgeist der Spätgeborenen skizziert. Sachs ist hier weder bitter und ernst, noch erhebt er oberlehrerhaft den Zeigefinger. Er montiert das Material vielmehr zu einer Satire, zu einer Karikatur. Auch das hat Tradition, allerdings eine franco-alemannische, mit der sich die puritanische Kulturkritik niemals angefreundet hat.

Denn sie bleibt einer Phänomenologie verpflichtet, die nicht richtet wie Judikative und Medien, sondern erst einmal zeigt. Oder wie formuliert Karsten Witte im filmischen Zitat: ,,Ich würde auch davor warnen, jetzt Feindbilder, Frauenbilder, Männerbilder gleich festzuschreiben, und doch erst mal nach der Ambivalenz dieser Repräsentanzen fragen, die für mich sehr viel interessanter sind, insofern sie noch nicht gerichtet scheinen." Diese Spannungen zu provozieren und auszuhalten ist eine Qualität der langsamen Bilder von Stephan Sachs, die manchem Publikum erst im Nachbild deutlich wird.