und sahen, was zu machen war...
Johannes C. Tritschler
Journal Film n° 28 | 1994/95


Wie ein außergewöhnlicher Dokumentarfilm jenseits gängiger Reportageformen aussehen kann, zeigt Stephan Sachs Mit UND SAHEN WAS ZU MACHEN WAR ... Es ist die Langzeitbeobachtung der Rekonstruktion des Reiterstandbilds Wilhelms II. am Deutschen Eck in Koblenz. Ganz behutsam führt Sachs an das Thema heran. Er beginnt mit Bildern, die Arbeiter beim Zuschneiden von Styropor zeigen. Erst später wird klar, daß es sich dabei um das Arbeitsmodell für das Reiterstandbild handelt. Zunächst falten nur die kleinen Details des Arbeitsprozesses auf. In der ersten Phase des Films wird der Fertigungsprozeß dokumentiert, die Herstellung des Modells, der Guß. Sachs selbst hat hierzu einen Text geschrieben, der in überraschender Weise den Ton altbekannter Lehrfilme trifft und gerade dadurch den Vorgang ironisch bricht. In Form einer Collage wird schließlich die Bedeutung dieses Denkmals als ein deutsches Herrscherstandbild offen gelegt. Schwarzweiße Archivaufnahmen, Postkartenmotive, Landkarten zeigen das Standbild als Symbol einer glorreichen Nation und machen deutlich, wie fragwürdig seine Rekonstruktion ist. Die Gewalttätigkeit eines solchen Unterfangens wird unterstrichen durch Zitate aus einem Vortrag des Filmtheoretikers Karsten Witte (den dieser allerdings in anderem Zusammenhang gehalten hat).

Neben der Kritik an der revisionistischen Stimmungstage einer Nation, die nach der Wiedervereinigung zu neuem Großmachtstreben aufbricht, hat UND SAHEN WAS ZU MACHEN WAR ... noch eine zweite Dimension. Nicht zuletzt geht es auch um männliche Selbstinszenierung. Finanziert und vorangetrieben wurde die Rekonstruktion von dem Koblenzer Zeitungsverleger Werner Theisen, der aus Anlaß eines gemeinsamen (?) doppelten Jubiläums (30. Hochzeitstag und sein 60. Geburtstag) seiner Heimatstadt ein Geschenk machen wollte. Einen einflußreichen Verbündeten fand Theisen jedoch in Prof. Dr. Dr. Dr. Peter Ludwig, der in einer Rede von den »alliierten Terrorbombern« spricht, die das Denkmal 1945 vom Sockel geschossen haben. Ursprünglich wurde das Standbild von Wilhelm II. als Zeichen für den Erfolg über den französischen »Erbfeind« errichtet. Und ausgerechnet dieses Sinnbild des Militarismus und der nationalen Stärke wählten die »Zwei Freunde für Koblenz« - so eine Zeitungsschlagzeile - um sich selbst ein Denkmal zu setzen.

Mit sanfter Ironie demontiert Stephan Sachs sowohl das Symbol deutscher Größe, als auch den männlichen Hang zur übersteigerten Selbstinszenierung. Die Form der Collage, die er für seinen Film UND SAHEN WAS ZU MACHEN WAR ... gewählt hat, gibt ihm Gelegenheit, seinen Gegenstand von unterschiedlichen Seiten zu betrachten und auseinanderzunehmen. Sachs hat ein feines Gespür für sein Material entwickelt, dessen Tragweite sich für den Zuschauer erst im Gesamten erschließt. Eine zunächst nur für den hintergründigen Witz von UND SAHEN WAS ZU MACHEN WAR ... stehende Szene, wie beispielsweise jene, die zu Beginn einen Arbeiter zeigt, der das Styropormodell mit den überdimensionalen Hoden des Pferdes besteigt, bekommt ihre spezifische Bedeutung im Gesamtkontext. Oder wenn zur Gußform der Siegesgöttin, die dem Reiter voranschreitet, ein französisches Revolutions-Chanson erklingt. In experimenteller Form wird ein Ereignis dokumentiert, das für öffentliche Diskussion gesorgt hat und dem Zuschauer klar macht, daß mit der Wiedererrichtung eines solchen martialischer Denkmals natürlich auch ein entsprechendes Geschichtsbild restauriert wird.