auf Teufel komm raus
Wundersam chaotisch

Heinz Holzapfel
Rheinische Post | 27.02.2001

«Montage - Demontage. Ständig wird in dem Film etwas auseinander genommen, zusammen gesetzt. Er mischt kühn die Zeiten, die Stile, die Formen, die Inhalte. Der Zuschauer muss an die Stelle der eindeutigen Informationen seine produktiven Assoziationen setzen.» Das schrieb 1995 der inzwischen verstorbene Mitbegründer des Düsseldorfer Filmmuseums, Hartmut Redottee, über den Dokumentarfilm "und sahen, was zu machen war..." des Düsseldorfer Künstlers und Filmemachers Stephan Sachs. Diese Arbeit lief damals im "Internationalen Forum des Jungen Films" der Berlinale und erhielt - wie, auch sein Kurzfilm "Le Dauphin" (1986) den Preis der deutschen Filmkritik.

"Einer der wichtigsten und interessantesten Experimentalfilmer der jüngeren Generation 'in Deutschland", wie ihn schon 1989 ein Filmkritiker nannte, stellte jetzt bei einer Veranstaltung der "Filmwerkstatt Düsseldorf' in der "Black Box" sein jüngstes Werk vor. Bei der Begrüßung gedachte Stephan Sachs noch einmal seines filmischen Ziehvaters Hartmut Redottee, dessen Filmreihen und Seminare ihn schon als Studenten beeinflusst hatten, dann lief "auf Teufel komm raus", eine 60-Minuten-Dokumentation über die Probearbeiten zu einer Inszenierung von Arthur Millers "Hexenjagd" am Staatstheater Darmstadt.

Spiel mit den Möglichkeiten

Kühn ist das richtige Wort für die Methode des Regisseurs, Kameramanns und Cutters: Demontieren und Montieren als perfektes Spiel mit den Möglichkeiten des Mediums, souveränes Wechseln der inhaltlichen und formalen Ebenen, ungewohnte Perspektiven, ein wundersam chaotisches, trotzdem stimmiges Assoziieren. Diese spannende "tour de force" durch den Kosmos eines Stückes, durch den irreal-realen Raum seines Entstehens, war lehrreich und unterhaltsam zugleich, ein kleines Wunder an Stimmigkeit und Tiefe.

Weiter entfernt von gängiger Fernseh-Kultursendung-Routine wie Stephan Sachs souveräner Umgang mit dem Thema kann ein Feature kaum sein, 60 Stunden mit digitaler Videokamera aufgenommenes Material mussten bearbeitet und komprimiert werden.

Beim Publikumsgespräch nach der Uraufführung zeigten sich vor allem die anwesenden Mitwirkenden (die Darsteller Katinka Heise, Nernlina Kuki, Michael Fuchs und die Dramaturgin Stephanie Junge) überrascht wie perfekt es dem beim Proben allgegenwärtigen Dokumentaristen gelungen war, nicht nur die Backstage-Atmosphäre und das Spiel der Akteure erfahrbar zu machen, sondern ganz nebenbei auch noch den Inhalt des dreistündigen Theaterstückes selektiver zu vermitteln.

Bedrohliche Einblicke

Doch Stephan Sachs erreichte noch mehr. Das Theaterspiel, die oft bedrohlich wirkenden Einblicke in die Theatermaschinerie selbst, wurden als Reflex genau jener Mächte erkennbar, die Arthur Miller in seinem bis heute aktuell gebliebenen Stück thematisiert: der Einbruch irrationaler Mächte in das brüchige gesellschaftliche und politische Gefüge.

In einer Art doppelter Widerspiegelung wird das Theater als Spiel und als Institution selbst zur Ausdrucksform des Irrationalen und dies wiederum reflektiert - mit wohltuender Ironie und hintergründigem Witz- der Film, als wolle er durch seinen organisierten, formalen, vom Künstlerkalkül geleiteten Zugriff das Unkontrollierbare mit einem vorläufigen Bannspruch belegen.